Geschichts-Atelier Elvira Pionierinnen* der Frauenbewegung in München |
Persönliche Daten | ||||
Name: | Engelmann | |||
Vorname: | Pauline | |||
Geburtsname: | Neustätter | |||
Religion bei Geburt: | jüdisch | |||
Geburtstag: | 02.01.1840 | |||
Geburtsort: | München | |||
Todestag: | 24.01.1911 | |||
Sterbeort: | München | |||
Staatsangehörigkeit bei Geburt: | Königreich Bayern |
Familie | |||
Vater | David Neustätter | Kaufmann, Tuchhändler | 1801 München - 1852 München |
David Neustätter eröffnete im Jahr 1824 eine Tuchhandlung in der Theatinerstr. | |||
Mutter | Antonie Neustätter, geb. Mack | Inhaberin der Firma: David Neustätter sel. Wtw. | 1806 Altenkunstadt - 1880 München |
Rufnamen: Dina oder Toni | |||
Bruder | Max Neustätter | Dr. jur. und Anwalt | 1827 München - unbekannt unbekannt |
Der älteste Bruder Maximilian Neustätter (https://d-nb.info/gnd/127838368) studierte in Lüttich Jura und promovierte dort zum Dr. jur. (https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10851306). Gewidmet war die Hochschulschrift seinen Eltern (Parentibus Optimis Carrissimis), die er im Revolutionsjahr 1848 in München besucht hatte. Das Münchener Tagblatt berichtete: "Ein eingeborner, wackerer Mann ist gerade als Fremder unter uns. Dr. Neustätter, Sohn des Großhändlers David Neustätter. Dieser junge Mann zählt erst 21 Jahre, hat in Lüttich die Universität absolviert und ist gegenwärtig Advokat in Amsterdam. Würde er es im Bayernlande in so kurzer Zeit als Jude auch so weit gebracht haben?" (Münchner Tagblatt 46. Jg. Nr. 206 v. 26.07.1848, S. 1013 f.) Bis mindestens 1854 war er in Amsterdam als Advokat gemeldet und veröffentlichte noch einige juristische Schriften, danach verliert sich seine Spur. | |||
Bruder | Markus Neustätter | 1828 München - 1829 München | |
Angaben im Familienbogen von | |||
Bruder | Adolph Neustätter | 1829 München - 1856 München | |
Schwester | Emilie Neustätter, verh. Steinmayer | 1831 München - ? | |
Bruder | Ferdinand Neustätter | Jounalist, Schriftsteller, Musik-Verleger, Inhaber einer Theater-Agentur | 1832 München - 1888 München |
https://d-nb.info/gnd/132249332 | |||
Schwester | Rosalie Neustätter, verh. Ellinger | 1834 München - 1908 Stuttgart? |
Familienstand | ||||||
verheiratet in erster Ehe | 1861 | Joseph Engelmann | Arzt, zuletzt Leiter der Kreisirrenanstalt Bayreuth, Dr. med Hofrath | 1820 Floss - 1888 Bayreuth | ||
verwitwet seit | 1888 | |||||
"Dem Assistenzarzt bei der Irrenanstalt Irsee, Dr. Joseph Engelmann, ein ausgezeichneter junger Mediziner, wurde die Stelle eines leitenden Arztes an der Irrenanstalt St. Georgen bei Bayreuth auf Ruf und Widerruf übertragen. Es ist dies der erste Fall einer ähnlichen Anstellung eines Israeliten in Bayern; und wenn wir die Beharrlichkeit in Betracht ziehen, mit welcher das vorige Staatsministerium selbst die Anstellung eines Juden als Taxbeamten verweigerte, so bleibt diese Ernennung immerhin ein bedeutender Fortschritt. Wir wollen, insofern er an noch recht viele, nicht minder würdige Glaubensgenossen ergeht, uns den Ruf ebenso gern gefallen lassen, als wir bereitwilligst und mit größtem Vergnügen auf den Widerruf verzichten." (Aus Bayern im Januar, in: Allgemeinen Zeitung des Judentums vom 7. Februar 1860, zit. nach https://www.alemannia-judaica.de/bayreuth_texte.htm) |
Kinder | |||||
Max Engelmann | Dr. med., Arzt | 1863 München - 1911 Bamberg | |||
Verheiratet mit Anna Engelmann, geb. Sack (1869 - 1938) | |||||
Theodor Engelmann | Jurist (Dr. jur.), Staatsanwalt und Richter, zuletzt Rat am Obersten Landgericht | 1864 Bayreuth - 1924 München | |||
Theodor Engelmann war Co-Autor des 4. Bandes des "Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich". Er war mit Elsbeth (Elisabeth) Rosenfeld verheiratet (1870 Nürnberg - 1942 Treblinka). | |||||
Richard Engelmann | Bankkaufmann, Bildhauer, 1921-1930 Lehrbeauftragter an der Staatlichen Hochschule für bildende Kunst in Weimar | 1868 Bayreuth - 1966 Kirchzarten | |||
https://d-nb.info/gnd/119492172 Zusammenarbeit mit Van der Velde und dem Bauhaus. In 1. Ehe verheiratet mit Dorthea Hölscher (1863 - ca. 1905), in 2. Ehe mit Elisabeth v. Hampeln und zuletzt mit Frieda Klara Leidel. |
Mitgliedsjahre im Verein für Fraueninteressen | |||||
1896 | bis 1901 | ||||
Die Mitgliederliste von 1902 fehlt, deshalb wissen wir nicht, ob Pauline Engelmann im Laufe des Jahres 1901 oder 1902 ausgeschieden ist. In der Liste von 1903 ist sie jedenfalls nicht mehr erwähnt. |
Ämter und Mitgliedschaften in anderen Vereinen | |
1891 Mitglied im Verein für Arbeiterkolonien in Bayern |
Quellen und Literatur |
StadtA München: PMB Neustätter, David Münchener Tagblatt 46. Jg., Nr. 206 v. 26.07.1848, S. 1013 f., online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10541957_00125_u001, zuletzt abgerufen am 11.08.2024 Bayern.Armee: Armee-Befehl vom 9. October 1849, § 15 S. 36, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10315977 Aus Bayern, im Januar (Privatmitth.), in: Allgemeine Zeitung des Judentums 24. Jg., Nr. 6 v. 07.02.1860, S. 87, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10521443?page=96%2C97 Todesanzeige von Antonie Neustätter, in: Neueste Nachrichten 33. Jg., Nr. 34 v. 03.02. 1880, S. 5, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11602391 Auszug aus dem Standesamtsregister, in: Bamberger Volksblatt Nr. 177 v. 10.08.1887, S. 4, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11483533 Verzeichnis der Mitglieder des unter dem Protektorate Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Ludwig stehenden Vereins für Arbeiterkolonien in Bayern in der Stadt München (Separatdruck aus dem über 6000 namen unfassenden Gesammt-Mitglieder-Verzeichnis nach dem Stand v. 01. 01. 1891, München 1891, S. 5, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11455246, Rechenschaftsbericht und Mitglieder-Verzeichnis des Zweigvereins München des unter dem Protektorate Ihrer Majestät der Königin-Mutter von Bayern stehenden Bayerischen Frauenvereins unterm rothen Kreuz für das Jahr 1891, S. 19, online: Rechenschafts-Bericht des Frauenvereins Arbeiterinnenheim a. V. unter dem Protektorate I.K.H. der Frau Prinzessin Arnulf für das Jahr 1895. Nebst Mitgliederverzeichnis, S. 12, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11789821 Verlagsanzeige zum Erscheinen des Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch, in: Stahl's Terminkalender für den bayerischen Juristen, 34. Jg., München 1897, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11802061 Zeitschriften- und Bücherschau. Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, in: Münchner Neueste Nachrichten 51, Jg. Nr. 346, Morgenblatt v. 30.09.1898, S. 3 online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb00130387?page=350%2C351 Kurze Stadtnachrichten. U.a. Nachruf auf Dr. Theodor Engelmann, in: Münchener Neueste Nachrichten, 77. Jg. Nr. 157 v. 12.06.1924, S. 3, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb00133535_00251_u001 Loebl, Herbert: Juden in Bamberg. Die Jahrzehnte vor dem Holocaust, Bamberg ²1999, S. 180 u. S. 324 Opitz, Silke: Ein Gentlemankünstler. Leben und Werk des Bildhauers Richard Engelmann (1868-1966), Weimar 2000, S. 25 - 31 Ferdinand Neustätter, in: Bayerisches Musiker-Lexikon Online, hrsg. von Focht, Joseph, https://bmlo.de/n0315 (Version vom 30. September 2006) Bartholomäus, Christine: Richard Engelmann, in: Von Emanuel Osmund bis Hilde Marx. Biografische Skizzen zu ausgewählten jüdischen Persönlichkeiten aus Bayreuth, in: Jüdisches Bayreuth, hrsg. v. der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit., Bayreuth 2010, S. 112 f. Eintrag Anna Engelmann, geb. Sack, in: Beisbart, Ortwin; Fichtl, Franz; Deusel, Antje Yael; Beisbart, Ortwin (Hrsg.) (2010): Gedenkbuch der jüdischen Bürger Bambergs : Opfer des nationalsozialistischen Terrors 1933-1945. 2. Aufl. Bamberg 2010. S. 86, online: https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/206 Anna Engelmann, geb. Sack, in: Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933 - 1945, online:https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=2985 Elsbeth Engelmann, geb. Rosenfeld, in: Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933 - 1945, online: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=2752 Hedwig (Hedda) Engelmann, in: Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933 - 1945, online: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=15706 Landesarchiv Baden-Württemberg Staatsarchiv Freiburg: Nachlass Engelmann, Einführung, online: https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-5848&a=fb, Stadtarchiv Bayreuth: Familie Engelmann, mit Quellen- und Literaturangaben zusammengestellt von Bartholmäus, Christine, Bayreuth 2024. |
Anmerkungen | |||||
Bemerkungen | |||||
Pauline Engelmann wurde im Jahr 1840 als jüngstes Kind des jüdischen Kaufmanns David Neustätter und seiner Frau Antonie, geborene Mack in München geboren. Im Oktober 1861 heiratete Pauline Neustätter den aus Floß in der Oberpfalz stammenden, deutlich älteren Arzt Dr. Joseph Engelmann. Ihr Ehemann begann seine Berufslaufbahn 1848 als Unterarzt „in provisorischer Eigenschaft“ an der Festungskommandantur Landau. Bereits wenig später, im Sommer 1849, wurde er wieder entlassen. Politischer Umtriebe verdächtig scheint er sich an den Auseinandersetzungen um die Annahme der „Paulskirchenverfassung“ in Bayern beteiligt zu haben. Danach ließ er sich für einige Zeit in der Schweiz nieder, bevor er nach Bayern zurückkehrte und dort nach mehreren Zwischenstationen als Oberarzt und Vorstand an die Irrenanstalt von Bayreuth St. Georgen berufen wurde. Wie die „Allgemeine Zeitung des Judentums“ am 7.2.1860 (https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10521443) hervorhob, war dies die erste leitende Anstellung eines Israeliten in einer öffentlichen Einrichtung in Bayern und wurde als bedeutender Fortschritt auf dem Weg zur Glaubensfreiheit gewertet. (vgl. auch alemania-judaica.de/bayreuth und floss). Die Familie lebte zunächst auf dem Gelände der Anstalt in St. Georgen, wo zwei der drei Söhne geboren wurden, anschließend im neugebauten Wendelhöfen, der Kreisirrenanstalt für Oberfranken, wohin Joeph Engelman 1869 als Direktor berufen worden war. Das Ehepaar führte in dieser relativ isolierten Umgebung ein gutbürgerliches liberales Haus, in welchem der schulischen, schöngeistigen und hier besonders der musikalischen Bildung der Söhne große Bedeutung zugemessen wurde. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1888 ging Pauline zurück nach München, wo sie sich ab 1891 in mehreren Vereinen engagierte, nicht zuletzt auch im späteren Verein für Fraueninteressen, dem sie spätestens seit 1896 gemeinsam mit ihrer Schwägerin Helene Neustätter angehörte. In dieser Zeit bereitete ihr Sohn Theodor als Co-Autor das Erscheinen des Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich vor, in dem er gemeinsam mit Julius v. Staudinger das Familienrecht bearbeitete. Ein zentrales Thema für die damalige Frauenbewegung, besonders in München. | |||||
Lebensweg der Söhne und ihrer Familien | |||||
Der älteste Sohn Max Engelmann verstarb nur wenige Monate nach dem Tod der Mutter: „Am Montag verschied in Bamberg im 49. Lebensjahr der praktische Arzt und langjährige Repetitor an der k. Entbindungsanstalt Dr. med. Max Engelmann. Der Verstorbene war auch in der Bamberger Musikwelt eine bekannte und beliebte Persönlichkeit." (Münchner Neueste Nachrichten, 64. Jg., Nr. 219 v. 10.05.1911, S. 6). 1933 verließ seine Witwe Anna Bamberg und verzog zunächst nach Nürnberg und 1934 nach München, wo sie zwischen 1936 bis 1938 bei ihrer Schwägerin Elsbeth Engelmann wohnte. 1938 kehrte sie in ihre Geburtsstadt zurück, wo sie wenige Tage nach dem Novemberprogrom ihrem Leben ein Ende setzte. Elsbeth Engelmann, die Witwe des 1924 verstorbenen Oberlandesgerichtsrates Theodor Engelmann und ihre Tochter Hedwig (Hedda) bemühten sich 1939 vergeblich um Visa nach Kolumbien oder England. Beide mussten ihre Wohnung in der Luisenstraße verlassen und in die Möhlstr. 30 ziehen. Am 4. April 1942 wurde Hedda nach Piaski deportiert und dort ermordet. Im Mai kam ihre Mutter in das Barackenlager Knorrstr. 148, bevor sie am 17.06.1942 nach Theresienstadt und von da aus nach Treblinka in den Tod geschickt wurde. Anders als Mutter und Schwester war Tochter Erika bereits 1933 mit ihrem Ehemann, dem Biochemiker Stephen Bach, nach England emigriert. Der jüngste Sohn Paulines, der Bildhauer Richard Engelmann war 1913 an die spätere Bauhaus Universität Weimar berufen worden und wechselte 1921 an die neugegründete Staatliche Hochschule für bildende Kunst. Er war der einzige in der Familie der die jüdische Glaubensgemeinschaft (bereits 1893) verlassen hatte und dessen Ehefrauen nach den Vorstellungen der Nazis "arisch" waren. Trotzdem wurde er bereits 1930 aus dem Hochschuldienst entlassen, nachdem in Thüringen erstmals eine Landesregierung unter Beteiligung der Nationalsozialisten gebildet worden war. Sie setzten ihren Gesinnungsgenossen Paul Schultze-Naumburg als Leiter der Kunsthochschule ein, der einen großen Teil des Lehrkörpers suspendierte. 1935 erhielt Richard Engelmann endgültiges Berufsverbot. In privilegierter Mischehe mit Ehefrau und Tochter zurückgezogen in Kirchzarten, im Schwarzwald lebend, blieben ihm Deportation und Ermordung erspart. Sein Sohn Martin aus der Ehe mit Elisabeth von Hampeln floh 1937 nach Schweden und von dort weiter in die USA. Sohn Peter blieb in Berlin und beging 1944 Selbstmord. |
Letzte Änderung | |
geändert: 15.09.2024 |
Wir bitten um folgende Zitierweise: Eintrag: „Pauline Engelmann“/ID 144, Online-Datenbank „Pionierinnen* der Frauenbewegung in München. Die frühen Mitglieder der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau/des Vereins für Fraueninteressen in München“. Verein für Fraueninteressen e.V. München, www.geschichtsatelier-elvira.de |